Deutscher Bundestag - Reichstagsgebäude
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Auswirkungen der neu gewählten Regierung auf den Pflegebereich

Die Pflege in Deutschland steht vor enormen Herausforderungen. Der Fachkräftemangel verschärft sich, die Kosten für Pflegebedürftige steigen weiter, und pflegende Angehörige sind zunehmend überlastet. Gleichzeitig wächst der politische Druck, nachhaltige Lösungen für diese Probleme zu finden. Mit der Bundestagswahl 2025 und der bevorstehenden Regierungsbildung stellt sich die Frage: Welche Auswirkungen wird die neue Regierung auf die Pflege haben?

Aktuelle Wahlprognosen deuten darauf hin, dass die CDU/CSU als stärkste Kraft hervorgeht, was eine Regierung unter ihrer Führung wahrscheinlich macht – entweder in einer Großen Koalition mit der SPD oder in einer Kenia-Koalition mit den Grünen und der SPD. Diese möglichen Regierungsbündnisse haben unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie Pflege finanziert, organisiert und verbessert werden soll.

Doch was bedeutet das konkret für Pflegekräfte, Pflegebedürftige und deren Angehörige? Welche Reformen sind zu erwarten – und welche Probleme bleiben ungelöst? In diesem Artikel werden die Entwicklungen in der Pflegepolitik analysiert und aufgezeigt, welche Auswirkungen die wahrscheinlichste neue Regierung auf die Zukunft der Pflege haben wird.

Die gesundheitspolitischen Konzepte der Parteien zeigen deutliche Unterschiede in ihren Ansätzen zur Verbesserung der Pflege. Die wichtigsten Tendenzen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

 

1. Politische Ausgangslage und mögliche wahrscheinliche Regierungsbildung

Nach der Bundestagswahl 2025, bei der die CDU/CSU mit 28,6 % der Stimmen als stärkste Kraft hervorging, gefolgt von der AfD mit 20,8 % und der SPD mit 16,4 %, stehen mehrere Koalitionsoptionen zur Diskussion. Die FDP und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) verfehlten mit 4,3 % bzw. 4,972 % den Einzug in den Bundestag.

Bundestagswahl 2025: Vorläufiges Wahlergebnis
Bundestagswahl 2025: Vorläufiges Wahlergebnis

Große Koalition (CDU/CSU und SPD):

Sitzverteilung: CDU/CSU (28,6 %) + SPD (16,4 %) = 45 %

Mehrheit: Dieses Bündnis würde eine stabile Mehrheit im Bundestag sichern.

Historischer Kontext: Ähnliche Koalitionen regierten bereits von 2013 bis 2021 unter Angela Merkel.

Schwarz-Grüne Koalition (CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen):

Sitzverteilung: CDU/CSU (28,6 %) + Grüne (11,6 %) = 40,2 %

Mehrheit: Diese Kombination würde keine absolute Mehrheit erreichen und wäre auf weitere Partner angewiesen.

Interne Differenzen: CSU-Chef Markus Söder hat eine Zusammenarbeit mit den Grünen ausgeschlossen, während CDU-Chef Friedrich Merz offen für Gespräche ist.

Deutschland-Koalition (CDU/CSU, SPD und FDP):

Sitzverteilung: CDU/CSU (28,6 %) + SPD (16,4 %) + FDP (4,3 %) = 49,3 %

Mehrheit: Dieses Bündnis würde eine komfortable Mehrheit bieten.

Herausforderung: Da die FDP den Einzug in den Bundestag verpasst hat, ist diese Option nicht realisierbar.

Kenia-Koalition (CDU/CSU, SPD und Grüne):

Sitzverteilung: CDU/CSU (28,6 %) + SPD (16,4 %) + Grüne (11,6 %) = 56,6 %

Mehrheit: Dieses Dreierbündnis würde eine deutliche Mehrheit darstellen.

Politische Differenzen: Die inhaltlichen Unterschiede zwischen den Parteien könnten intensive Verhandlungen erfordern.

Bundestagswahl 2025: Vorläufiges Wahlergebnis
Bundestagswahl 2025: Mögliche Koalitionen

Ausgeschlossene Koalitionen:

  • CDU/CSU und AfD: Trotz einer rechnerischen Mehrheit hat Friedrich Merz eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausgeschlossen.
  • Ampel-Koalition (SPD, Grüne und FDP): Diese Option ist aufgrund des Scheiterns der FDP an der Fünf-Prozent-Hürde nicht möglich.

In der Prognose wurde die Linke mit 6–8 % der Stimmen erwähnt, was bedeutet, dass sie den Einzug in den Bundestag knapp geschafft hat. Allerdings reicht ihr Ergebnis nicht aus, um als Koalitionspartner für eine Regierungsbildung eine zentrale Rolle zu spielen. Da sowohl CDU/CSU als auch SPD und Grüne in der Vergangenheit eine Koalition mit der Linken ausgeschlossen haben, ist eine Regierungsbeteiligung dieser Partei sehr unwahrscheinlich. In den aktuellen Machtverhältnissen könnte die Linke in der Opposition verbleiben, wo sie sich voraussichtlich weiterhin für eine Pflegevollversicherung, eine Abschaffung der Eigenanteile in der Pflege und eine bessere Bezahlung von Pflegekräften einsetzen wird.

Angesichts dieser Konstellationen erscheint eine Große Koalition zwischen CDU/CSU und SPD als die wahrscheinlichste Regierungsoption. Friedrich Merz strebt an, die Regierungsbildung zügig abzuschließen, möglicherweise bis Ostern. Ein Bündnis mit der AfD wurde von allen anderen Parteien jedoch ausgeschlossen. Deshalb werden sie in dieser Zusammenfassung auch nicht weiter berücksichtigt.

 

2. Entwicklungen und Herausforderungen in der Pflege

Die Pflege steht in Deutschland vor enormen Herausforderungen, die unabhängig von der zukünftigen Regierung dringend adressiert werden müssen. Die wichtigsten Problemfelder sind:

1) Fachkräftemangel

Derzeit fehlen laut Pflegeverbänden über 200.000 Pflegekräfte in Deutschland. Bis 2030 könnten bis zu 290.000 -690.000 Pflegekräfte fehlen, wenn keine strukturellen Änderungen erfolgen. Pflegekräfte sind überlastet, was sich in einer hohen Berufsflucht äußert. 40 % der examinierten Pflegekräfte verlassen den Beruf innerhalb der ersten fünf Jahre.

2) Finanzierung und steigende Eigenanteile für Pflegebedürftige

Die Eigenanteile für stationäre Pflegeheime sind 2025 auf 2.443–3.671 € pro Monat (Im ersten Jahr des Heimaufenthalts / Eigenbeteiligung ohne prozentualen Leistungszuschlag zum pflegebedingten Eigenanteil). Die Pflegeversicherung deckt nur einen Teil der Kosten, wodurch viele Pflegebedürftige auf Sozialhilfe angewiesen sind. Deshalb ist eine nachhaltige Finanzierungsreform weiterhin notwendig.

3) Bürokratie und Dokumentationsaufwand

Pflegekräfte verbringen bis zu 40 % ihrer Arbeitszeit mit Dokumentation und bürokratischen Aufgaben. Eine Entlastung durch Digitalisierung wird seit Jahren versprochen, jedoch nur langsam umgesetzt.

4) Pflegende Angehörige sind am Limit

Über 5 Millionen Menschen in Deutschland pflegen Angehörige zu Hause. Fehlende finanzielle Unterstützung und Überlastung führen zu psychischen und physischen Belastungen.

 

 

3. Auswirkungen auf die Pflegepolitik unter einer wahrscheinlichen CDU/CSU-geführten Regierung

Sollte eine Große Koalition aus CDU/CSU und SPD, Deutschland-Koalition (CDU/CSU, SPD, FDP) oder Kenia-Koalition (CDU/CSU, SPD, Grüne) zustande kommen, sind folgende Entwicklungen in der Pflegepolitik zu erwarten:

1) Finanzierung der Pflege

  • Keine radikalen Änderungen am aktuellen System. Die CDU/CSU lehnt die Bürgerversicherung ab, während die SPD sie favorisiert, das heißt die CDU/CSU und FDP wollen das bestehende System mit privater und gesetzlicher Krankenversicherung beibehalten.
  • Wahrscheinlicher Kompromiss: kleine Reformen innerhalb des dualen Systems statt einer grundlegenden Umgestaltung.
  • Die Eigenanteile für Pflegebedürftige könnten durch gedeckelte Kosten begrenzt werden (SPD-Vorschlag), aber eine komplette Pflegevollversicherung (wie von der Linken gefordert) ist unwahrscheinlich.
  • Die FDP könnte eine stärkere private Altersvorsorge für Pflegekosten durchsetzen.

Auswirkung:

  • Pflege bleibt für viele teuer, jedoch könnten bestimmte Kostenübernahmen verbessert werden.
  • Keine vollständige Abschaffung der Eigenanteile, aber eventuell neue staatliche Zuschüsse.

 

2) Fachkräftemangel in der Pflege

  • CDU/CSU und FDP setzen auf verstärkte Anwerbung ausländischer Pflegekräfte, vor allem aus Südostasien, Lateinamerika und Osteuropa zur Bekämpfung des Personalmangels. (Hier sollte die SPD nichts dagegen haben).
  • Die Grünen und SPD wollen zusätzlich eine “Rückkehroffensive” starten, um ehemalige Pflegekräfte durch bessere Arbeitsbedingungen zurückzugewinnen.
  • Eine vereinfachte Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse könnte umgesetzt werden, um den Arbeitsmarkt für internationale Pflegekräfte schneller zu öffnen.
  • FDP setzt auf verstärkte Digitalisierung (z. B. Robotik zur Unterstützung von Pflegekräften).

Auswirkung:

  • In den nächsten Jahren wird ein zunehmender Anteil der Pflegekräfte aus dem Ausland kommen.
  • Langfristig könnte die Attraktivität des Berufs gesteigert werden, aber kurzfristig bleibt der Personalmangel bestehen.
  • Pflegekräfte könnten durch Robotik und digitale Prozesse teilweise entlastet werden, jedoch bleibt der menschliche Faktor unverzichtbar.

 

3) Bürokratieabbau und Digitalisierung

  • CDU/CSU, FDP und Grüne setzen auf eine Entbürokratisierung der Pflege durch weniger Dokumentationspflichten.
  • Mehr Einsatz von digitalen Patientenakten und Pflege-Apps zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands.
  • Einführung von KI-gestützten Assistenzsystemen (Dokumentation), um Pflegekräfte zu entlasten.

Auswirkung:

  • Bürokratieabbau könnte Pflegekräfte entlasten, aber die Umsetzung digitaler Lösungen dauert oft Jahre.
  • Pflegekräfte benötigen Schulungen für neue digitale Prozesse.
  • Datenschutz und IT-Sicherheit bleiben kritische Themen.

 

4) Unterstützung pflegender Angehöriger

  • SPD und Grüne wollen pflegende Angehörige finanziell besser unterstützen (z. B. Pflegegeld erhöhen, Rentenansprüche verbessern) oder flexiblere berufliche Regelungen.
  • CDU/CSU setzt stärker auf steuergestützte Anreize, z. B. Steuererleichterungen für pflegende Angehörige. „Wir stellen die häusliche Pflegesituation in den Mittelpunkt und wollen die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf stärken. Wir wollen mehr Vereinfachung mit einem Pflegebudget erreichen, das flexibel für pflegerische Leistungen eingesetzt werden kann. Durch starke Netzwerke im direkten Umfeld und Chancen der Digitalisierung ermöglichen wir es weiterhin einer hohen Anzahl von Pflegebedürftigen, so lang wie möglich in den eigenen vier Wänden zu wohnen.“ (Wahlprogramm, 2025)
  • FDP könnte sich für flexiblere Arbeitszeitmodelle für pflegende Angehörige starkmachen.
  • CDU/CSU und FDP fokussieren sich stärker auf die Entlastung durch Digitalisierung und ausländische Fachkräfte.

Auswirkung:

  • Leichte finanzielle Verbesserungen für pflegende Angehörige sind möglich, aber keine radikalen Umbrüche.
  • Eine echte Entlastung könnte erst mittelfristig greifen, wenn Pflegegeld oder Rentenansprüche erhöht werden.

 

Mögliche zukünftige Entwicklungen in der Pflegepolitik

Kurzfristig: Der Fachkräftemangel bleibt bestehen. Es wird zwar mehr Personal aus dem Ausland angeworben, aber das löst das Problem nicht sofort. Bürokratieabbau und Digitalisierung könnten helfen, brauchen aber Zeit.

Mittelfristig: Wenn Maßnahmen zur Rückgewinnung von Pflegekräften (höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen) umgesetzt werden, könnte der Beruf wieder attraktiver werden.

Langfristig: Eine große Finanzierungsreform bleibt unwahrscheinlich, was bedeutet, dass Pflegebedürftige weiterhin hohe Eigenanteile zahlen müssen. Verbesserungen für pflegende Angehörige könnten spürbar sein, aber keine Revolution bedeuten.

Zusammenfassend lässt sich aus den Ausführungen mehr Unterstützung für pflegende Angehörige erhoffen. Insbesondere Unterstützungssysteme wie finanzielle Entlastungen und flexiblere Arbeitszeiten sollen hier zum Tragen kommen. Ein weiterer Fokus liegt auf der Digitalisierung als Entlastung für Pflegekräfte, wobei sowohl der Datenschutz als auch die Akzeptanz technischer Hilfsmittel eine Herausforderung bleiben könnte. Der Fachkräftemangel bleibt ein zentrales Problem, welchem mit verstärkter Rekrutierung aus dem Ausland und verbesserten Arbeitsbedingungen als Lösungsansätze entgegengewirkt werden soll. Der Kostendruck im Pflegesystem wird voraussichtlich weiter steigen, was langfristig grundlegende Reformen der Finanzierung erforderlich macht.

Die tatsächliche Entwicklung der Pflege in den kommenden Jahren hängt davon ab, welche Partei oder Koalition die zukünftige Bundesregierung stellt und wie weit diese ihre gesundheitspolitischen Maßnahmen umsetzen kann. Insgesamt ist unter einer CDU/CSU-geführten Regierung mit moderaten Reformen, aber keinem grundlegenden Wandel in der Pflegepolitik zu rechnen. Damit bleibt der Fachkräftemangel auch weiterhin eine der größten Herausforderungen.

 

 

Quellen:

  1. Bundeswahlleiterin. (2025, 24. Februar). Vorläufiges Ergebnis der Bundestagswahl 2025 steht fest. Abgerufen am 24. Februar 2025, von https://www.bundeswahlleiterin.de/info/presse/mitteilungen/bundestagswahl-2025/27_25_vorlaeufiges-ergebnis.html
  2. Deutschlandfunk. (2025, 23. Februar). Bundestagswahl 2025: Wahlprogramme der Parteien im Vergleich. Abgerufen am 24. Februar 2025, von https://www.deutschlandfunk.de/bundestagswahl-2025-wahlprogramme-100.html
  3. CDU/CSU. (2025). Regierungsprogramm 2025 – Sicherheit, Stabilität, Zukunft. Abgerufen am 24. Februar 2025, von https://www.cdu.de/wahlprogramm-von-cdu-und-csu/
  4. SPD. (2025). Zukunft gestalten: Das SPD-Programm für die Bundestagswahl 2025. Abgerufen am 24. Februar 2025, von https://www.spd.de/suche/s/news/1/wahlprogramm
  5. Bündnis 90/Die Grünen. (2025). Für ein klimaneutrales und soziales Deutschland: Wahlprogramm 2025. Abgerufen am 24. Februar 2025, von https://www.gruene.de/artikel/zusammen-wachsen
  6. FDP. (2025). Chancen für alle – Das liberale Zukunftsprogramm 2025. Abgerufen am 24. Februar 2025, von https://www.fdp.de/das-wahlprogramm-der-freien-demokraten-zur-bundestagswahl-2025
  7. Die Linke. (2025). Gerechtigkeit jetzt! Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2025. Abgerufen am 24. Februar 2025, von https://www.die-linke.de/bundestagswahl-2025/wahlprogramm/
  8. AfD. (2025). Deutschland zuerst: Wahlprogramm der Alternative für Deutschland 2025. Abgerufen am 24. Februar 2025, von https://www.afd.de/wahlprogramm25/
  9. Tagesschau.de. (2025, 21. Februar). Koalitionsoptionen nach der Bundestagswahl 2025: Wer könnte mit wem regieren? Abgerufen am 24. Februar 2025, von https://www.tagesschau.de/inland/bundestagswahl/koalitionsoptionen-106.html
  10. The Guardian. (2025, 23. Februar). Conservatives win German election but far-right AfD doubles support. Abgerufen am 24. Februar 2025, von https://www.theguardian.com/world/2025/feb/23/conservatives-poised-to-win-german-election-but-far-right-afd-doubles-support
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