Die Wahl zum 21. Deutschen Bundestag wird am 23. Februar 2025 als vorgezogene Neuwahl durchgeführt. Dieser Termin wurde durch die gescheiterte Vertrauensfrage von Bundeskanzler Scholz am 16. Dezember 2024 notwendig. Am 27. Dezember 2024 erklärte Bundespräsident Steinmeier die Auflösung des Bundestages und bestätigte den Termin für die Neuwahl. – Schauen wir uns die Programme der größeren Parteien an und untersuchen, welche Ziele sie in Bezug auf die Pflege verfolgen.
Die Linke und das BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht)
Die Linke und das BSW streben eine vollumfängliche Pflegeversicherung an und vertreten in ihren Wahlprogrammen ähnliche Standpunkte. Beide Parteien fordern eine Bürgerversicherung und setzen sich dafür ein, dass Pflegebedürftige weniger oder gar keine Eigenanteile zu entrichten haben. Die Linke hebt hervor, dass private Unternehmen im Pflegebereich Gewinne maximieren, wogegen sie vorgehen möchte. Sie fordert, private Einrichtungen in öffentliche Trägerschaft zu überführen und sieht in der Bürgerversicherung ein Fundament für die vollständige Finanzierung der Pflege, wobei die Eigenanteile für die Betroffenen abgeschafft werden sollen.
Während die Linke auch kurzfristige Maßnahmen zur Reduzierung der Eigenanteile vorschlägt, konzentriert sich das BSW hauptsächlich auf die Vollversicherung der Pflege über Steuermittel, ohne die finanziellen Aspekte einer Bürgerversicherung näher zu erörtern.
Die Linke fordert eine Gehaltserhöhung für Altenpflegekräfte um 300 Euro, um die Lohnlücke zur Krankenpflege zu schließen. Außerdem plant die Partei eine bundesweite Initiative, um ehemalige Pflegekräfte zurückzugewinnen, sowie eine Ausbildungsoffensive und allgemein verbindliche Tarifverträge zur Bekämpfung des Fachkräftemangels in der Pflege.
Für pflegende Angehörige in einem Beschäftigungsverhältnis ist die Partei für sechs Wochen Freistellung bei vollem Lohnausgleich in familiären Pflegefällen und sieht zudem Geldleistungen sowie Rentenpunkte vor. Um das Leben von Pflegebedürftigen zu Hause zu erleichtern, fordert die Linke eine Quote für altersgerechte Wohnungen, ein gesetzliches Räumungsverbot für Mieter*innen höheren Alters sowie die Einbeziehung von seniorengerechtem, betreutem Wohnen in den sozialen Wohnungsbau.
SPD
Die SPD verfolgt eine Reform im Pflegebereich, die darauf abzielt, die private und gesetzliche Pflegeversicherung zu vereinen und ein solidarisches Pflegesystem zu etablieren. Ein zentrales Element dieser Reform ist die Deckelung des Eigenanteils in der Pflege auf 1.000 Euro, sowohl für stationäre als auch für die häusliche Pflege. Darüber hinaus sollen Kommunen mehr Mitspracherecht bei der Planung von Pflegeeinrichtungen erhalten, wobei die Investitionskosten nicht mehr ausschließlich auf die Bewohner*innen umgelegt werden können. Der letzte Punkt ist jedoch noch nicht endgültig beschlossen.
Um die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte zu verbessern, plant die SPD eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit sowie die Rekrutierung internationaler Fachkräfte. Auch eine Erhöhung der Gehälter wird in Aussicht gestellt. Ferner beabsichtigt die Partei, den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Dokumentation zu fördern. Das bisher geplante Pflegekompetenzgesetz soll nicht verabschiedet werden. Dennoch bleibt das Versprechen bestehen, die Kompetenzen des Pflegefachpersonals zu erweitern.
Insgesamt strebt die SPD eine Entbürokratisierung im Bereich „Hilfe zur Pflege“ an, um den Aufwand für die Antragstellung und die Auszahlung zu verringern. Zudem sollen pflegende Angehörige ein Familienpflegegeld sowie eine Familienpflegezeit analog zum Elterngeld erhalten. Die Partei plant, die Beratungs- und Netzwerkangebote für Pflegebedürftige und deren Angehörige auszubauen und diese bei der Vergabe von Sozialwohnungen aufgrund ihres besonderen Wohnbedarfs zu bevorzugen.
Bündnis 90 / Die Grünen
Das Wahlprogramm der Grünen hat zum Ziel, den Einfluss von Finanzinvestor:innen in der Pflege zu reduzieren. Sie streben eine klare Entbürokratisierung im Pflegebereich an. Die Grünen schlagen die Einführung einer Pflegebürgerversicherung vor und möchten ehemalige Pflegekräfte zurückgewinnen. Sie setzen sich dafür ein, dass öffentliche Gelder der Versorgung zugutekommen und unterstützen gemeinnützige Träger.
Zudem sollen privat Versicherte in den solidarischen Finanzausgleich integriert und versicherungsfremde Leistungen durch Steuermittel finanziert werden. Zur Stärkung der Pflegeversicherung planen die Grünen eine Reform der Beitragsbemessung und legen Wert auf die Verbesserung der Ausbildungsbedingungen sowie die Vereinheitlichung der Pflegeassistenz. Die Grünen beabsichtigen ein flexibles Pflegebudget für Pflegebedürftige. Darüber hinaus sprechen sie sich für eine erhöhte finanzielle Unterstützung für Personen aus, die Angehörige pflegen.
FDP
Die FDP setzt sich dafür ein, die Pflegeversicherung aufrechtzuerhalten und die Finanzierung zu diversifizieren. Sie möchte Anreize für eine private Pflegevorsorge schaffen und die Verfahren zur Anerkennung ausländischer Pflegekräfte vereinfachen. Die Partei ist gegen eine Bürgerversicherung und betont die Notwendigkeit, Bürokratie abzubauen, um Pflegeanbieter von möglicherweise überflüssigen Prüfungen und Dokumentationspflichten zu entlasten.
Im Hinblick auf die Finanzierung plant die FDP, die soziale Pflegeversicherung als Teilleistung beizubehalten und sie durch eine kapitalgedeckte Komponente zu ergänzen. Darüber hinaus sollen Anreize für die private Pflegevorsorge verstärkt werden. Um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, setzt die Partei auf eine Kombination aus Digitalisierung, Automatisierung und beschleunigten Anerkennungsverfahren.
Die angestrebten Verbesserungen für pflegende Angehörige sind größtenteils unspezifisch. Das Hauptziel besteht darin, die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu fördern. Die FDP strebt eine Verringerung der Bürokratie für Pflegeanbieter an, um die Pflegequalität zu steigern und den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten.
CDU/ CSU
Die CDU/CSU plant die Fusion des medizinischen Dienstes und der Heimaufsicht, um doppelte Strukturen abzubauen und mehr Gestaltungsspielraum in der Pflege zu schaffen. Die Partei möchte starre Sektorengrenzen aufweichen und neue Wohn- sowie Betreuungsformen fördern.
Auch strebt sie einen Mix aus gesetzlicher Pflegeversicherung, betrieblicher Mitfinanzierung, Steuermitteln und Zusatzversicherungen an, um Finanzierungslücken zu schließen. Prävention und Rehabilitation werden als wesentliche Maßnahmen benannt, um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels sollen attraktive Arbeitsbedingungen geschaffen werden.
Die Union plant, ein flexibles Pflegebudget für pflegebedürftige Personen und deren Angehörige einzuführen. Zudem will sie die Rolle von Pflegefachkräften stärken und die Dokumentationsprozesse erleichtern. Die Digitalisierung soll dazu beitragen, dass Pflegebedürftige möglichst lange in ihrem eigenen Zuhause wohnen bleiben können.
AfD
Die AfD möchte die Familienpflege fördern, indem die Angehörigen finanziell besser entlohnt werden. So soll die Inanspruchnahme von Pflegeheimen reduziert werden. Ziel ist es laut Partei, die familiäre Betreuung attraktiver zu gestalten und die Pflegekassen zu entlasten.
Zudem beabsichtigt die AfD die Zusammenlegung der Pflege- und Krankenversicherung sowie eine Deregulierung der Pflegebranche. Um die Qualität von im Ausland angeworbenen Pflegefachpersonen zu sichern, fordert die AfD ein höheres Sprachniveau (C1). Kammern für Pflegefachpersonal werden abgelehnt. Die AfD hat nicht zuletzt vor, die gespeicherten Patient*innendaten auf einen Notfalldatensatz zu beschränken.
Fazit
Die gute Nachricht ist, vor allem mit Blick auf nahende Koalitionsbemühungen, dass es durchaus Schnittmengen gibt. CDU/ CSU, FDP und Grüne sprechen sich in ihren Programmen hinsichtlich häuslicher Pflege für flexible bzw. liberale Pflegebudgets aus. Von ganz links nach ganz rechts ist man sich ebenso einig darin, die Bürokratisierung zu verringern, die Digitalisierung in der Pflege verstärkt zu fördern und Pflegeberufe mittels verschiedenster Ansätze attraktiver zu machen.
Konsens finden die Parteien auch darin, dass Pflegebedürftigkeit möglichst lange hinausgezögert werden muss. Wenn Pflegebedürftigkeit dann eintritt, sollen Nachbarschaften, Angehörige, Kommunen, ambulante Dienste oder die eigene Häuslichkeit durch Ressourcenförderung ein besseres Auffangnetz darstellen als bisher.
Im größten Punkt allerdings, Versicherungsprinzipien, gehen die Ideale stark auseinander. CDU/ CSU sowie FDP sehen einen Finanzierungsmix. BSW und Linke sind für eine Pflegevollversicherung, in die jede*r einzahlt. Dafür soll der Eigenanteil für pflegerische Leistungen komplett entfallen (Linke). Die SPD setzt dagegen auf maßvolle Einspeisung aus den Steuermitteln und auf eine Stabilisierung der Beiträge. Die AfD ist für eine Zusammenlegung von Kranken- und Pflegeversicherung und macht um stationäre Lösungen nach Möglichkeit einen Bogen. Um die Pflegekassen zu entlasten, nimmt sie Familien in die Pflicht bzw. erwägt entsprechende Entlohnungen.
Die Art und Weise, wie wir künftig pflegeversichert sind, sowie die Finanzierungsmöglichkeiten dessen sind also herausfordernd wie vielseitig. Internationales Denken ist hier wichtig. CDU/ CSU, SPD und FDP betonen die große Bedeutung internationaler Anwerbung. BSW, Linke, und Grüne setzen auf Ausbildungsoffensiven im Inland und auf groß angelegte Rückanwerbungen für Pflegekräfte. Immerhin: Beide Ansätze können nebeneinander funktionieren.
Quellen:
- Die Linke (Absatz Gesundheit und Pflege: Solidarität statt Wettbewerb) (Abrufdatum: 14.02.25)
- BSW (Seiten: 26-3) (Abrufdatum: 14.02.25)
- SPD (Seiten: 24-2) (Abrufdatum: 14.02.25)
- Bündnis 90 / Die Grünen (Seiten: 40-41) (Abrufdatum: 14.02.25)
- FDP (Absatz Stärkung der Pflege) (Abrufdatum: 14.02.25)
- CDU/ CSU (Seiten: 67-70) (Abrufdatum: 14.02.25)
- AfD (Seiten: 21-33) (Abrufdatum: 14.02.25)