Tarifpflicht in der Altenpflege – mehr Geld für Pflegekräfte?
Seit dem 1. September gilt in Deutschland die Tarifpflicht in der Altenpflege. Das bedeutet, dass Altenpflegerinnen und Altenpfleger nach Tarif bezahlt werden müssen. Sind Einrichtungen nicht tarifgebunden, müssen sie in Höhe eines einschlägigen Tarifvertrags zahlen oder zumindest nachweisen, dass sie das regional übliche Gehalt zahlen. Dabei werden auch Zuschläge wie zum Beispiel solche für Schichten in der Nacht oder an Feiertagen berücksichtigt.
Wer profitiert von der Tarifpflicht in der Altenpflege?
Die Tarifpflicht in der Altenpflege rentiert sich hauptsächlich für Pflegekräfte, die in kleinen Familienunternehmen oder privaten Pflegeketten tätig werden. Viele freigemeinnützige Träger zahlen hingegen längst nach Tarif, weshalb sich hier für Altenpflegerinnen und Altenpfleger nichts ändert.
Aber auch dann, wenn bisher kein Tarifvertrag bestand, bedeutet das nicht unbedingt, dass Pflegekräfte zukünftig mit einem höheren Gehalt rechnen können. Die neue Regelung stellt lediglich sicher, dass Einrichtungen ihren Mitarbeitern in der Altenpflege einen Lohn zahlen, der dem üblichen regionalen Entlohnungsniveau entspricht. Wer also bereits faktisch ein Gehalt bekommt, das der Höhe eines Tarifvertrags entspricht, hat keine gesetzlichen Ansprüche auf eine höhere Vergütung.
Welche Nachteile hat die Tarifpflicht in der Altenpflege?
Die Tarifpflicht in der Altenpflege bedeutet für viele Pflegekräfte eine längst überfällige Gehaltssteigerung.Sie stellt eine faire und ortsübliche Bezahlung sicher. Die höheren Gehälter könnten sich aber in Zukunft negativ auf die Beitragssätze in der Pflegeversicherung auswirken und zu einem Ansteigen der Sozialversicherungsquote führen.
Oft übersehen wird dabei auch, wer eigentlich die höheren Löhne bezahlt. Schließlich sind sie nicht einfach in den Einrichtungen vorhanden – sie werden von pflegebedürftigen Personen oder ihren Angehörigen übernommen. Das bedeutet, dass Plätze in Altenheimen zukünftig teurer werden und damit für viele Menschen unbezahlbar.
Die Alternative dazu ist, dass Altenheime in Zukunft enger haushalten müssen, um die Kosten nicht oder nur zu einem geringen Teil auf die Pflegebedürftigen umzulegen. Das würde zum Beispiel bedeuten, dass Pflegekräfte einem strengeren Zeitplan folgen und ihre Aufgaben in weniger Zeit erledigen müssten. Auch dies geschieht letztlich auf die Kosten der Pflegebedürftigen: Sie werden weniger umsorgt und Pflegerinnen und Pfleger sind kürzer angebunden. Fällt aus Zeitmangel der nette Plausch am Rande aus und wirken die Mitarbeiter gestresst, kann sich das schnell auf die Stimmung im Altenheim auswirken.
Wir haben mit Ina (34) gesprochen. Ina ist Altenpflegerin und profitiert von der neuen Tarifpflicht.
Hallo Ina. Schön, dass Du Dir die Zeit für unser Gespräch nimmst! Die Tarifpflicht für die Altenpflege ist da und Du bekommst mehr Gehalt. Wie fühlt sich das an?
Ich freue mich natürlich und habe das Gefühl, dass die Bedürfnisse von Pflegekräften in der Politik endlich besser wahrgenommen werden. Das Versprechen aus der Anfangszeit der Pandemie wurde damit umgesetzt. Ich bin froh, dass sich etwas zu bewegen scheint und unsere Arbeitsbedingungen endlich nicht mehr ignoriert werden.
Was ändert sich nun in Deiner Einrichtung?
Bei uns haben tatsächlich viele Pflegekräfte endlich einen Tarifvertrag bekommen. Das hat aber auch seine Nachteile: Wir haben zuvor kleinere finanzielle Zugeständnisse erhalten wie zum Beispiel Zuschüsse für die Betreuung unserer Kinder in der Kita. Auch dann, wenn wir unseren privaten Pkw genutzt haben, haben wir dafür Zulagen bekommen. Das Geld für die höheren Löhne fällt aber nicht vom Himmel – deshalb wurden viele dieser finanziellen Entlastungen nun gestrichen.
Man kann also zumindest teilweise von einer Umverteilung des Geldes sprechen. Die Bezahlung nach Tarif ist natürlich trotzdem gut und richtig. Die vielversprechend klingenden Steigerungen fallen in der Praxis aber leider oft geringer aus.
Danke Ina!