Die deutsche Bevölkerung wird immer älter, was sich auch auf den Pflegesektor auswirkt. Das Statistische Bundesamt prognostiziert, dass die Zahl der Pflegebedürftigen allein aufgrund der Alterung der Gesellschaft bis zum Jahr 2055 um fast 40 Prozent oder um 1,8 Millionen Menschen steigen wird. Im Jahr 2021 betrug die Anzahl der Pflegebedürftigen etwa fünf Millionen, bis 2055 könnte sie auf rund 6,9 Millionen anwachsen.
Babyboomer erreichen bald das Pflegealter
Vor allem zwischen 2035 und 2055 wird es einen signifikanten Anstieg bei der Zahl der Pflegebedürftigen geben. Dann wird auch ein Anstieg bei älteren Pflegebedürftigen über 80 Jahren erwartet, die voraussichtlich 65 Prozent aller Pflegebedürftigen ausmachen werden. Eine Ursache für diesen Anstieg ist der sogenannte Babyboom in den 1950er und 1960er Jahren, der eine große Altersgruppe hervorgebracht hat.
Betrachtet man die einzelnen Bundesländer, zeigen sich deutliche Unterschiede: In Sachsen-Anhalt wird bis 2055 der geringste Anstieg von sieben Prozent erwartet, während Bayern und Baden-Württemberg mit einem Anstieg von 56 bzw. 51 Prozent rechnen müssen. Der durchschnittliche Anstieg in Deutschland beträgt 37 Prozent.
Geburtsschwächere Jahrgänge schaffen Erleichterung für die Pflege
Das Statistische Bundesamt hat zwei Modelle zur Pflegevorausberechnung entwickelt. Das erste Modell geht von einer konstanten Pflegequote aus, während das zweite Modell einen Anstieg der Pflegequoten in Erwägung zieht. Die Pflegequote ist der Anteil der Pflegebedürftigen an der Gesamtbevölkerung und zeigt das Risiko, in einem bestimmten Alter pflegebedürftig zu sein. Das zweite Modell berücksichtigt den weiter gefassten Pflegebedürftigkeitsbegriff, der seit 2017 gilt und zu einem deutlichen Anstieg der Pflegebedürftigen und der Pflegequoten geführt hat.
Trotz des prognostizierten Anstiegs der Pflegebedürftigkeit bis 2055 wird erwartet, dass sich dieser ab den 2050er Jahren abschwächt, da dann die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer durch geburtenschwächere Jahrgänge abgelöst werden. Im Jahr 2070 wird die Zahl der Pflegebedürftigen im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes voraussichtlich bei etwa 6,9 Millionen liegen. Die Entwicklung zeigt, dass es dringend notwendig ist, die Pflegeinfrastruktur und die Ausbildung von Pflegekräften zukunftsfähig zu gestalten, um der steigenden Zahl an Pflegebedürftigen gerecht zu werden.
Wird das Pflegesystem zusammenbrechen?
Die steigende Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland treffen auf einen bereits seit Jahren herrschenden Mangel an Pflegerinnen und Pflegern. Um dieser Herausforderung zu begegnen, sind Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen notwendig. So müssen etwa die Bedingungen in der Pflegebranche verbessert und die Ausbildung und Anstellung von Pflegekräften gefördert werden. Auch die Digitalisierung und Automatisierung in der Pflege können helfen, den Personalbedarf zu senken und die Pflegequalität zu erhöhen.
Darüber hinaus müssen auch Angehörige von Pflegebedürftigen entlastet werden, um ihre Pflegebereitschaft aufrechtzuerhalten. Dabei können zum Beispiel die Einführung von Pflegezeitmodellen oder die Förderung von ambulanter Pflege und betreutem Wohnen hilfreich sein.
Insgesamt zeigt die Pflegevorausberechnung des Statistischen Bundesamtes, dass die Pflege in Deutschland vor großen Herausforderungen steht. Um diesen gerecht zu werden, ist ein zeitnahes Handeln der Politik notwendig, damit die Zukunft der Pflege in Deutschland gesichert wird. Denn selbst dann, wenn die Pflege bereits heute als Berufsfeld attraktiver gestaltet würde, würde es einige Jahre dauern, bis die Zahl der Pflegekräfte merklich steigen würde. Interessenten müssen schließlich zunächst eine mehrjährige Ausbildung durchlaufen, die die Politik zeitlich einkalkulieren muss.