Gewalt gegen Pflegekräfte: Regel statt Ausnahme

Gewalt gegen Pflegekräfte: Regel statt Ausnahme

14. August 2024
Autor: Pflegia

Gewalt gegen Pflegekräfte ist längst keine Seltenheit mehr, die Zahlen steigen seit Jahren. Beschimpfungen, Diskriminierung und körperliche Gewalt - all das gehört mittlerweile zum Alltag. Im Jahr 2022 wurden 6.190 Übergriffe in medizinischen Einrichtungen registriert. Das entspricht einem Plus von 18 Prozent im Vergleich zu 2019 (5.245 Übergriffe). Die Zahlen stammen aus den Landeskriminalämtern, die Dunkelziffer ist vermutlich noch viel höher. Dabei sind auch die Bundesländer Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg bei den genannten Zahlen nicht inbegriffen, da die Tatorte erst seit 2020 gesondert erfasst werden. 

Dass es sich um keine Ausnahmen mehr handle, der Meinung ist auch Peter Bobbert, Landesvorsitzender Marburger Bund Berlin/Brandenburg: 

Leider sind es keine Einzelfälle und leider ist es auch keine gefühlte Wahrnehmung, denn die Zahlen zeigen einen deutlichen Anstieg von Gewalterfahrungen des pflegerischen und ärztlichen Personals in Krankenhäusern.

In einer repräsentativen Umfrage der Deutschen Krankenhausgesellschaft im April 2024, an der 250 Krankenhäuser teilnahmen, gaben 73 Prozent der Einrichtungen an, dass ihr Personal vermehrt von Übergriffen betroffen sei. Ca. 80 Prozent gaben an, dass gerade der Pflegedienst unter den Angriffen leidet. Aber auch die Notaufnahmen mit über 50 Prozent seien besonders von der Gewalt betroffen.

Als Hauptursachen nannten die Krankenhäuser zustandsabhängige Übergriffe (beispielsweise durch Alkohol oder Schmerzen), den allgemeinen Respektverlust gegenüber Klinikpersonal, krankheitsbedingtes Verhalten durch demente oder psychisch kranke Patient*innen oder auch zu lange Wartezeiten.

Die Gewalt gegen das medizinische Personal hat weitreichende Folgen: merkliche psychische Belastungen der betroffenen Mitarbeitenden, körperliche Schäden, Abbruch des Dienstes, Krankschreibungen, Kündigungen. 

In jeder dritten Klinik haben Mitarbeiter nach Übergriffen auf ihre Person um eine interne Versetzung gebeten und in jedem fünften Krankenhaus haben Mitarbeiter aus diesem Grund gekündigt.

Die Krankenhäuser setzen zur Prävention und Bewältigung dieser Vorfälle Maßnahmen wie Deeskalationstrainings für Mitarbeitende (von besonders betroffenen Stationen), bauliche und technische Maßnahmen (z. B. Zutrittskontrollen oder Videoüberwachung) sowie interne Handlungsempfehlungen bzw. Leitlinien zum Umgang mit aggressiven Patient*innen oder Übergriffen.Auch die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) berichtet von einem deutlichen Anstieg der Vorfälle in einer angelegten Studie in den untersuchten Jahren 2018 bis 2022. Rund 5.300 Vorfälle verzeichnet die BGW pro Jahr. 83 Prozent fallen dabei auf folgende Berufsgruppen: Pflegefach- und Pflegehilfskräfte (Kranken- und Altenpflege), Kinderbetreuer*innen sowie Menschen in sozial-pflegerischen Berufen.

Laut Christel Bienstein, Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK), habe die Lage mittlerweile politische Ausmaße.

Es kann nicht sein, dass Gesundheitspersonal ausbaden muss, was an notwendigen Reformen versäumt wurde.

Neben den Maßnahmen durch die Einrichtungen müsse es eine Reform des Gesundheitssystems geben. Denn durch die Überlastung von Notaufnahmen wegen gravierender Mängel in der Primär- und Notfallversorgung bestehe ein erhöhtes Eskalationspotenzial.

Im Juli berichtete das Ärzteblatt über eine geplante Strafverschärfung von Übergriffen gegenüber ehrenamtlich, aber auch beruflich tätigen Personen im Rettungsdienst, in Feuerwehren oder Krankenhäusern. Das Bundesjustizministerium würde dementsprechend das Strafgesetzbuch zukünftig anpassen. Es betonte, dass die Angriffe nicht nur individuelle Folgen für das Opfer habe.

Es habe auch Folgen für das Gemeinwesen. Die Taten könnten dazu führen, dass die Bürger sich von solchen Tätigkeiten zurückziehen würden oder solche gar nicht erst übernehmen wollten.

Auch Vorstands­vor­sitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, fordert eine Strafverschärfung, besonders auch für Arztpraxen. Denn auch dort komme es immer wieder zu Übergriffen auf Praxispersonal und Ärzt*innen.

Es braucht in solchen Fällen deutliche und schnelle Strafen. Sonst kommt die Botschaft bei einigen Menschen nicht an.

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